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JUNUT 239 – ein ins Wasser gefallener Traum

  • Freitag, 8. April 2022
  • 80 km + 2100 HM
  • 12 h 48 min

Der Wetterbericht sagte für das Rennwochenende nichts Gutes voraus. Eine Menge Regen, Wind, evtl. Schnee und Temperaturen bis hinunter auf 1°C. ABER wir wissen es im Voraus, d.h. wir können sehr viel Hirnschmalz in die Bekleidungswahl stecken. Ich verzichte sogar auf ein Paar Wechselschuhe, um mehr Bekleidungsteile und eine zweite Regenjacke einzupacken. Der Dropbag, auf den ich an drei Stellen Zugriff gehabt hätte, ist voll mit Bekleidung. Regenjacken, Regenhose, wasserdichte Handschuhe und wasserdichte Socken hatte ich eingepackt. Eigentlich war ich auf jedes schwere Unwetter vorbereitet. Der Kopf war nach der Kranheit, wenige Tage zuvor, noch nicht zu 100% eingestellt, aber die vielen guten Nachrichten in Lauf der Woche sorgten für ein positive Grundeinstellung.
Flo wollte mich bis zu seinem Zielpunkt bei 104 km begleiten und tat dies auch – zumindest so weit wir durften…

Kurz vor dem Start


Das Briefing am Vorabend musste ich ausfallen lassen, weil ich von der Arbeit nicht frei bekommen konnte, was ich sehr bedauerte, denn die vielen bekannten Gesichtern, die Einstimmung auf den Wettkampf und das entspanntere Empfangen der Startunterlagen sind mir normalerweise sehr viel Wert. So fuhren Flo und ich am Freitag Morgen gemeinsam mit dem Smarty nach Dietfurt und tranken ein Entspannungsbier, um mein Nervenkostüm zu beruhigen. Wie wird es laufen? Schaff ich es? Was passiert mir in der zweiten Nacht? Weniger Teilnehmer, zusätzliche coronabedingten Ausfälle und das Wetter führten zu einem deutlich reduzierten Teilnehmerfeld. Wahrscheinlich wären in der zweiten Nacht keine 30 Läufer mehr auf der Strecke gewesen, d.h. ich wäre SEHR einsam gewesen. Das Handy war mit Podcast und Hörspiele bestückt, um mich abzulenken.

Die Eckdaten machen demütig
Gerhard am Marktplatz von Dietfurt


Wir starteten mit der zweiten Startgruppe, die auf 11 Uhr gelegt war. Schon früh setzte ein Regen ein, der aber nichts besonderes darstellte. Wir kamen wie geplant vorwärts, meine HF blieb fast immer unter 70% und damit im entspannten Bereich. Konsequent nahm ich Nahrung auf, nur gönnte ich mir nicht so viel Zeit zum Fotografieren, wie ich angedacht hatte. Dafür regnete es zu sehr, um entspannt zu sein. Bei km 50 in Kehlheim spürte ich die Muskeln langsam, fühlte mich aber noch immer gut. Matting und frische, trockene Klamotten wurden aber herbeigesehnt. Immer wieder gesellte sich der liebe Bernd Spring zu uns und lachte, quatschte und begleitete uns. Mit Einbruch der Nacht gerieten wir aber in ein heftiges Unwetter. Auf einer völlig frei gelegenen Hochfläche tauschte sich die Dunkelheit immer wieder mit gleißend hellem Licht aus. Wir zählten die Abstände zum Donner und mussten mit Unbehagen feststellen, dass das Wetter sich sehr schnell näherte! Der Regen kam fast von der Seite, die Windböen waren heftig und wir liefen immer schneller Richtung Wald, um Schutz zu suchen. Spontan weiß ich nicht, wann ich das letzte Mal in ein solches Gewitter gekommen bin. Ich begann mir Gedanken zu machen, wie ich alleine durch den Samstag und die zweite Nacht kommen soll.

Irgendwo im Nirgendwo kurz vor Kehlheim
Bernd mit Weitblick

Kurz vor Bad Abbach ließ der Regen nach und hörte fast auf – eigentlich ein gutes Zeichen, aber ein auf der Donaubrücke stehender Läufer erzählte uns von einem Rennabbruch. Das es kein Witz war, nahmen wir ihn ab, aber es war für uns trotzdem schwer vorstellbar. Weshalb? Wegen Regen? Unvorstellbar. Die Donauüberfahrt im Boot der Feuerwehr vielleicht zu riskant? Wir laufen weiter, weil in Matting ein Dach über den Kopf, Essen, Trinken und unser Dropbag wartet. Irgendwo im Nirgendwo auszusteigen hilft uns nicht weiter. Wir kämpfen weiter durch Matsch, der Kraft kostet. Genau diese Regenschlacht haben wir erwartet und bekommen. Also alles keine Überraschung.

In der Nähe des Donaudurchbruchs in einer seltenen Regenpause

In Matting werden wir von der Feuerwehr tatsächlich mit dem Rennabbruch konfrontiert. In der Halle wird jeder Läufer, so wie wir, mit Applaus und Begeistertung empfangen. Bier gibt es reichlich und die Pizza kommt frisch aus dem Ofen. Zuästlich dauert der Rücktransport bei so vielen Personen, weshalb wir erst gegen 2 Uhr Nachts (nach ca. 2 Stunden) zurück nach Dietfurt transportiert werden. Um 4 Uhr liege ich dann daheim in meinem Bett.

Bernd
Florian
Frank und Andy


Das heftige Unwetter zwang den lieben Gerhard und sein erstklassiges Team zum Abbruch. Je nach Punkt auf der Strecke bei VP2, spätestens aber, wie bei uns, bei VP3 vor der Donau. Auf Regen und Kälte waren wir vorbereitet und mental eingestellt, hätten also damit umgehen können, aber das traf anscheinend nicht auf alle zu. Matsch und Schneematsch, eine Donauüberquerung im Schlauchboot bei Sturm, Helfer im Sturm und die Sicherheit der Läufer galten es zu bedenken. Ja, ich bin traurig, so viel Arbeit körperlich, zeitlich und emotional habe ich investiert, ABER die Entscheidung ist nachvollziehbar und vernünftig!

Euer Thorsten